Gerda Kieninger (SPD) hielt am 06.05.2009 im Nordrhein-Westfälischen Landtag eine Rede anlässlich der Ereignisse am ersten Mai 2009 am Rande einer DGB-Veranstaltung:
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als Dortmunder Abgeordnete, die auch vor Ort war, glaube ich, die Situation noch einmal beleuchten zu müssen.
In einem Lied der Arbeiterbewegung heißt es:
Der 1. Mai ist unser Feiertag.
Er ist der Schulzen und der Meier Tag,
weil wir an diesem Tag marschieren
und unsere Einheit demonstrieren.
So sollte es auch am 1. Mai in Dortmund sein. Denn Dortmund ist eine weltoffene, tolerante Stadt, die dies mit ihren Verantwortlichen und ihren Bürgerinnen und Bürgern lebt.
Herr Orth, Sie sollten nicht einfach Äpfel mit Birnen verwechseln. Wenn Sie meinen, das sei Kommunalpolitik, dann sind Sie auf dem falschen Dampfer.
(Beifall von der SPD)
Sie haben zwar nicht zum Thema geredet, den Sinn wahrscheinlich aber auch nicht verstanden.
Der vom Oberbürgermeister ins Leben gerufene Aktionsplan für Vielfalt, Toleranz und Demokratie wird jährlich mit 100.000 € ausgestattet und dokumentiert, wie wichtig uns in der Stadt Dortmund ein friedliches Miteinander ist.
Diese Maikundgebung mit mehreren tausend Teilnehmenden – Männern, Frauen und Kindern, Jung und Alt –, die friedlich für Arbeitnehmerrechte demonstrieren wollten, wurde aber von über 300 Neonazis brutal angegriffen. Das ist eine weitere Eskalationsstufe in der Entwicklung der Neonaziszene in Nordrhein-Westfalen.
Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten waren völlig unvorbereitet. Ohne jegliche Schutzkleidung haben sie sich mutig und entschlossen diesem brutal angreifenden braunen Mob entgegengestellt. Dafür gebührt ihnen unser aller Dank.
(Beifall von der SPD)
An die verletzten Beamtinnen und Beamten gehen von hier aus unsere besten Genesungswünsche.
Es stellt sich aber die Frage: Wie konnte das passieren? – Es gab kein Konzept, Herr Engel, für das Sie sich brav bedankt haben. Das war doch der Punkt. Eine Woche vor der Demonstration hatte der DGB-Vorsitzende beim Kooperationsgespräch mit der Polizei die Frage gestellt, ob dem Staatsschutz Hinweise auf mögliche Störungen der DGB-Demonstration vorlägen. Es lagen keine Erkenntnisse vor.
Am Donnerstagnachmittag, also am 30. April 2009, war im Internet zu lesen, dass das vom Verwaltungsgericht Lüneburg ausgesprochene Verbot der Nazidemonstration in Hannover weiterhin Bestand hat. Da der Eilantrag vom Oberverwaltungsgericht nicht angenommen wurde, erging vonseiten der Rechten ein offener Aufruf, mit kreativen Aktivitäten bei den DGB-Demonstrationen tätig zu werden.
(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Herr Orth, wo waren Sie denn?)
Am späten Donnerstagnachmittag informierte der DGB-Vorsitzende die Polizei über diesen Tatbestand. Der Polizei war bekannt, dass der eigentlich für Hannover geplante Aufmarsch der Nazis jetzt in Siegen stattfinden sollte. Daher befand sich die in Dortmund stationierte Einsatzhundertschaft auch auf dem Weg nach Siegen. Infolgedessen war die Polizeipräsenz am Dortmunder Hauptbahnhof mit seiner Funktion als Verkehrsknotenpunkt nicht ausreichend. Jeder Sonderzug zu einem Fußballspiel wird intensiver begleitet.
(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Richtig!)
Nur so konnte es dazu kommen, dass sich am Morgen des 1. Mai eine Horde schwarz bekleideter Nazis am Dortmunder Hauptbahnhof sammeln konnte. Nach Aussage der Einsatzleitung der Polizei sollten diese nach Siegen zu einer Demonstration weitergeleitet werden. Das geschah aber nicht. Die Meute stürzte aus dem Dortmunder Hauptbahnhof in Richtung des Platzes der alten Synagoge, dem Treffpunkt der DGB-Maidemonstration.
Um 11:50 Uhr wurde dem DGB-Vorsitzenden vom Einsatzleiter der Polizei mitgeteilt, dass die Nazis im Sturmschritt auf die Demonstration des DGB zuliefen. Der Vorsitzende des DGB setzte daraufhin sofort den Demonstrationszug in Gang, um einen Puffer zwischen den friedlichen Demonstranten und dem tobenden braunen Mob zu schaffen. Für diese besonnene Entscheidung möchte ich mich hier im Parlament beim DGB und den Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich bedanken.
(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])
Damit dürfte auch dem Letzten klar sein, wie ernst diese Bedrohung unseres Rechtsstaates ist. Dies war keine Auseinandersetzung zwischen extremistischen Gruppen, wie es gerne dargestellt wird. Hier sind friedliche Bürgerinnen und Bürger ohne Vorwarnung und ohne Grund von randalierenden Nazihorden brutal angegriffen worden.
(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])
Es hat keine Provokation oder Dergleichen stattgefunden. Die Nazis haben zum wiederholten Male ihr wahres Gesicht gezeigt. Diese Menschen haben weder Respekt vor dem Gesetz noch vor Menschenleben.
Diese braune Brut hat bereits für den 5. September 2009 einen Aufmarsch in Dortmund geplant. Ich kann die Aussage des Polizeipräsidenten, vor dem Hintergrund dieser Vorgänge eine neue Bewertung vorzunehmen, nur unterstützen. Unter dem Eindruck des 1. Mai ist es nicht verantwortbar, eine derart große Zahl militanter Faschisten durch Dortmund marschieren zu lassen.
(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])
Vizepräsident Edgar Moron: Frau Kollegin.
Gerda Kieninger (SPD): Ich komme zum Schluss. – Die Personen, die am 5. September 2009 zu erwarten sind, werden mit denen von letzter Woche fast identisch sein. Sie wollen das Demonstrationsrecht des Grundgesetzes in Anspruch nehmen, treten es aber gleichzeitig mit Füßen und verhöhnen die Demokratie sowie das Grundgesetz.
Enden möchte ich mit einem Zitat aus einem Lied der Arbeiterbewegung mit dem Titel „Gute Tradition“. Darin heißt es:
Nazis raus aus unserer Stadt,
weil es hier keinen Platz für Faschisten hat, …
(Beifall von SPD, GRÜNEN und Rüdiger Sagel [fraktionslos])
Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Kieninger.